Das war eine lange Pause vom Grundeinkommen. Mich hat das Thema jedoch in der Zwischenzeit nicht losgelassen und ich möchte hier noch eine kurze Auswertung meiner Online-Umfrage nachliefern. Das Ergebnis erlaubt Schlüsse auf die Zustimmung zu einer negativen Einkommensteuer.
Eine negative Einkommensteuer ist ein Modell für die Finanzierung des Grundeinkommens, bei dem weiterhin die Arbeit besteuert wird – allerdings erst ab einem bestimmten Bruttoeinkommen. Alle Einkommen darunter werden bezuschusst, was de facto einem Grundeinkommen entspricht.
Die Idee einer negativen Einkommensteuer existiert schon länger und erlangte in den 1960er Jahren eine größere Bekanntheit durch den Ökonomen Milton Friedman (oben im Bild). In Deutschland hat zuletzt Thomas Straubhaar, ehemaliger Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), eine Einkommensteuerreform nach dem Modell einer negativen Einkommensteuer vorgeschlagen.
Ziel der Umfrage
Ich hatte im Wesentlichen zwei Forschungsfragen.
Erstens: Welche Faktoren bestimmen, wie hoch der Anspruch auf staatliche Unterstützung ist, den eine Person haben sollte?
Zweitens: Halten Menschen aus verschiedenen Ländern unterschiedlich Faktoren für wichtig?
Umsetzung
Wie bereits geschrieben hatte ich 281 Teilnehmer aus zwölf verschiedenen Ländern, wobei 170 aus Deutschland kamen, 56 aus Finnland, 28 aus Italien und 27 aus weiteren neun Ländern. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!
Ich habe den Umfrageteilnehmern 18 verschiedene konstruierte Situationen vorgelegt – in der Sozialforschung Vignetten genannt. Die Teilnehmer sollten für jede Situation angeben, wie hoch die staatliche Unterstützung für eine imaginäre Person sein soll. Die 18 Vignetten unterschieden sich in sechs Dimensionen: Geschlecht, Alter, Erwerbsstatus, Einkommen, Wohnsituation und Bildungsgrad. Eine Vignette sah zum Beispiel so aus:
Ein 55 Jahre alter Mann ohne Kinder lebt allein. Er hat einen Universitätsabschluss. Er arbeitet halbtags und ein monatliches Nettoeinkommen von 900 Euro.
Wie viel finanzielle Unterstützung vom Staat sollte er im Monat erhalten? ________ Euro
(Wählen Sie einen Betrag, der Ihnen auf die Situation dieser Person bezogen gerecht erscheint. Nehmen Sie dazu sich selbst und Ihre Umgebung als Bezugspunkt.)
In der Umfrage selbst sah das dann so aus, hier die finnischsprachige Variante:
Aus der Beantwortung aller 18 Fälle hat sich für jeden Umfrageteilnehmer ein Bild ergeben, welche Faktoren wichtig sind für ihre Entscheidung zu mehr bzw. zu weniger staatlicher Unterstützung. Jeder Umfrageteilnehmer hat außerdem vorher eingeschätzt wie viel Geld seiner Meinung nach zum Leben nötig ist und im Anschluss, ob er es prinzipiell gut findet, wenn der Staat niedrige Einkommen aufstockt. Im Anschluss habe ich außerdem gefragt, ob die Umfrageteilnehmer das Aufstocken von niedrigen Löhnen befürworten.
Ergebnis
Umfrageteilnehmer orientieren sich vor allem am Lohn der fiktiven Personen in den Vignetten. Wer sehr wenig verdient soll staatliche Unterstützung bekommen. Bei steigendem Brutto-Gehalt soll die Unterstützung immer weiter zurückgehen, aber auch das Netto-Gehalt weiter steigen. Dieser Zusammenhang entspricht einer negativen Einkommensteuer.
Große Unterschiede bei diesem Zusammenhang bzgl. der Herkunftsländer der Umfrageteilnehmer gibt es nicht. Alle anderen Faktoren sind deutlich weniger relevant oder sogar irrelevant.
Das heißt, ein Großteil der Umfrageteilnehmer befürwortet staatliche Unterstützung bei niedrigem Einkommen in den konstruierten Fällen. Das gilt sogar für die meisten derjenigen Umfrageteilnehmer, die bei der Abschlussfrage angegeben haben, prinzipiell gegen solche Zuzahlungen zu sein.
Die Umfrage ist nicht repräsentativ. Dennoch ist ein eindeutiger Zusammenhang sichtbar. Eine negative Einkommensteuer wäre unter den Umfrageteilnehmern akzeptiert. Falls sich diese Einstellung auch in der allgemeinen Bevölkerung wiederfindet, ist sie deshalb politisch umsetzbar.
Ergebnistabelle
In der folgenden Tabelle sind die 18 fiktiven Fälle aufgelistet zusammen mit dem Median der Antworten der 281 Umfrageteilnehmer – also des Wertes des 141. Befragten, nachdem alle Antworten je Fall aufsteigend sortiert wurden. Die Summe entspricht dann dem fiktiven Einkommen plus dem Median. Dabei ist sehr schön zu sehen, wie mit steigendem Einkommen die gewährten Zuschüsse sinken, jedoch die Summe steigt.
Geschlecht | Alter | Erwerbs-status | Wohnsituation | Bildungs-grad | Einkommen | Median | Summe |
männlich | 25 | FE | mit Freunden | U | 0 | 500 | 500 |
männlich | 55 | FE | mit Partner | K | 0 | 500 | 500 |
weiblich | 40 | FE | mit Partner | 10 | 0 | 500 | 500 |
weiblich | 25 | UE | allein | K | 0 | 700 | 700 |
männlich | 40 | UE | allein | 10 | 0 | 800 | 800 |
weiblich | 55 | UE | mit Freunden | 12 | 0 | 800 | 800 |
männlich | 40 | TZ | mit Freunden | K | 300 | 400 | 700 |
männlich | 25 | TZ | mit Partner | 12 | 300 | 500 | 800 |
weiblich | 55 | VZ | allein | U | 300 | 600 | 900 |
weiblich | 55 | TZ | mit Partner | 10 | 500 | 300 | 800 |
männlich | 25 | VZ | allein | K | 500 | 350 | 850 |
weiblich | 40 | VZ | mit Freunden | U | 500 | 400 | 900 |
männlich | 55 | VZ | mit Freunden | 10 | 700 | 200 | 900 |
weiblich | 25 | VZ | mit Partner | U | 700 | 200 | 900 |
weiblich | 40 | TZ | allein | 12 | 700 | 200 | 900 |
weiblich | 25 | TZ | mit Freunden | K | 900 | 0 | 900 |
männlich | 55 | TZ | allein | U | 900 | 50 | 950 |
männlich | 40 | VZ | mit Partner | 12 | 900 | 100 | 1000 |